Checkliste

Hauptverhandlung im Strafverfahren – der Ablauf verständlich erklärt

Viele Beschuldigte wissen nicht genau, was sie in der Hauptverhandlung erwartet. Es ist das Herzstück des Strafverfahrens, denn hier entscheidet sich, ob es zu einem Freispruch, einer Einstellung oder einer Verurteilung kommt. Der folgende Leitfaden erklärt den Ablauf Schritt für Schritt mit praxisnahen Hinweisen. So können Sie besser einschätzen, was auf Sie zukommt.

 

(Bildnachweis: ChatGPT o3)

Die Hauptverhandlung ist ein strukturierter Ablauf, der wie folgt abläuft.

 

Aufruf der Sache und Feststellung der Personalien

Sobald der Richter (oder Vorsitzende) den Fall aufruft, beginnt die Hauptverhandlung offiziell. Der Richter prüft, ob alle Verfahrensbeteiligten – also Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Angeklagter – erschienen sind. Anschließend stellt er die Identität des Angeklagten fest und fragt nach wesentlichen persönlichen Verhältnissen. Dabei geht es unter anderem auch um die Grundlage für eine eventuelle Geldstrafe: Einkommen (monatliches Netto-Einkommen), laufende Unterhaltsverpflichtungen ("Sorgepflichten"), und Schulden beeinflussen später die Höhe eines Tagessatzes.

Während also der Prozess im Gerichtssaal beginnt, müssen Zeugen währenddessen vor dem Saal warten, bis sie einzeln aufgerufen werden; das soll verhindern, dass sie beeinflusst werden bzw. ihre eigenen Wahrnehmungen durch die Aussage der Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal allenfalls verfälscht werden.

 

Verlesung der Anklage und direkte Reaktion der Verteidigung

Nach den Formalitäten trägt die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vor. In komplexen Verfahren nutzt sie diesen Moment, um das Tatgeschehen aus ihrer Sicht zu skizzieren und wichtige Beweise zu nennen. In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass der Staatsanwalt im Gerichtssaal auf die schriftlich eingebrachte Anklageschrift verweist. Oft bleibt dieser Part also unspektakulär (Richter: "Wird auf den Strafantrag verwiesen?"; Staatsanwalt: "ja").

Die Verteidigung erhält unmittelbar danach Gelegenheit zu Gegenäußerungen. Hierbei lenkt der Verteidiger erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeit frühzeitig auf die Kernthemen der Verteidigung – etwa Zweifel an Zeugenaussagen, alternative Tatabläufe oder rechtliche Einwände. Es geht insbesondere darum, darzulegen, wie sich der Beschuldigte im Prozess verantworten wird und wie sich der Beschuldigte zu den Vorwürfen verhalten wird.

 

Beschuldigten-Vernehmung

Nach den Statements von Staatsanwaltschaft und Verteidigung adressiert das Gericht drei Fragen an den Beschuldigten. 

  • Wurde die Anklageschrift mit dem Verteidiger besprochen?
  • Möchte der Beschuldigte aussagen?
  • Bekennt er sich schuldig, teilweise schuldig oder nicht schuldig?

Dieser formelle Auftakt leitet die Beschuldigteneinvernahme ein. Der Angeklagte ann schweigen, eine zusammenhängende Erklärung abgeben oder Fragen beantworten. Schweigen darf rechtlich nicht negativ ausgelegt werden, doch eine gut vorbereitete Aussage kann Missverständnisse ausräumen und dem Gericht eine alternative Sicht bieten. Wer sich entscheidet zu sprechen, beginnt mit einer eigenen Darstellung des Sachverhalts. Dann folgen zuerst die Fragen des Gerichts, es ist der aktivste Akteur in der Hauptverhandlung. Wenn das Gericht vorerst keine weiteren Fragen hat, folgen die Fragen der Staatsanwaltschaft und dann die Fragen der Verteidigung. Das Gericht kann aber jederzeit unterbrechen und eigene Fragen stellen.

 

Beweisaufnahme

Nach der Vernehmung des Beschuldigten eröffnet das Gericht die Beweisaufnahme. Ab diesem Zeitpunkt wird der Fokus auf die Zeugen gerichtet. Die Zeugen betreten einzeln den Saal, werden wahrheitsbelehrt und auf die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage als Zeuge hingewiesen. Zuerst befragt der Richter; dann folgen Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Im Zuge der Beweisaufnahme kann die Verteidigung Anträge stellen, etwa die Ladung weiterer Zeugen oder die Einholung eines Gutachtens. Für das Verfahren ist es aus organisatorischer Sicht wichtig, dass derartige Anträge bereits im Vorfeld mit genügend Vorlaufzeit (mindestens 2-3 Wochen vorher) angekündigt werden, damit das Gericht die Zeugen zum Hauptverhandlungstermin laden kann. Gerichte lehnen Anträge ab, wenn sie offensichtlich unerheblich, unbegründet erscheinen oder bereits erfüllt sind. Jede Ablehnung muss begründet werden und kann später Gegenstand eines Rechtsmittels sein.

 

Schluss des Beweisverfahrens

Sobald alle Beweise erhoben sind, erklärt der Vorsitzende die Beweisaufnahme für geschlossen. Es kommt zu den Verlesungen der wesentlichen Aktenbestandteile, die in der Praxis häufig zusammenfassend vorgetragen werden. Dies ist die Phase, wo erhoben wird, welche schriftlichen Akten-Stücke der Entscheidung zugrundegelegt werden dürfen.

Danach kommt es zu den Plädoyers. Zuerst fasst die Staatsanwaltschaft den Prozess aus ihrer Sicht zusammen und beantragt in der Regel eine Verurteilung sowie eine schuld- und tatangemessene Bestrafung. Wenn die Staatsanwaltschaft hingegen auf einen Freispruch abzielt, dann beantragt sie wörtlich "die Anwendung des Gesetzes" - was letztlich den Freispruch beinhaltet. Dann plädiert die Verteidigung und hält die Gegenrede zur Staatsanwaltschaft, wobei sie auf Freispruch oder ein milderes Urteil plädiert.

Danach erhält der Angeklagte noch einmal das Wort – eine symbolisch und psychologisch wichtige Gelegenheit, Reue zu zeigen, seine Unschuld zu betonen oder sich den Ausführungen des Verteidigers anzuschließen. In den meisten Fällen schließen sich die Angeklagten den Ausführungen ihres Verteidigers an.

 

Urteilsverkündung und Rechtsmittel-Erklärung

Nach den Schlussworten zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Entscheidet ein Einzelrichter, dauert diese Phase oft nur wenige Augenblicke, maximal wenige Minuten; Schöffen- oder Geschworenengerichte hingegen beraten länger.

Das Urteil wird direkt verkündet: Schuldspruch oder Freispruch, gegebenenfalls die Strafe sowie eine knappe mündliche Begründung zur Beweiswürdigung und Rechtslage. Die Verkündigung des Urteils stützt sich auf die Anklage, das heißt, die Verurteilung oder der Freispruch wird in Zusammenschau mit dem Strafantrag förmlich ausgesprochen. Danach erklärt das Gericht nochmal ausführlich und mit einfachen Worten das Urteil sowie die Urteilsbegründung.

Wenn das Urteil so erklärt wurde, wird die Rechtsmittel-Belehrung erteilt. Das Urteil kann sogleich angenommen werden, sogleich angefochten werden oder aber eine Rechtsmittel-Erklärung wird binnen drei Tagen abgegeben. Üblicherweise gestatten die Gerichte eine kurze Rücksprache mit dem Verteidiger, welches Rechtsmitteerklären abgegeben werden soll.

Danach endet die Verhandlung ("Schluss der Hauptverhandlung").

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